Artikel vom 19.05.2020

Wer divers ist, ist kein Elternteil? Paar klagt gegen Standesamt



Kinder mit zwei Müttern sind nichts Ungewöhnliches mehr: Man trifft sie in der Kita beim Abholen und im Sandkasten auf dem Spielplatz. Schon seit 2001 ist die Eintragung als Lebensgemeinschaft, seit 2017 die Ehe für alle möglich. In der Geburtsurkunde gemeinsamer Kinder steht aber weiter nur die leibliche Mutter. Ein Ehepaar aus Hessen empfindet diese Regelung als absurd - und klagt jetzt gegen das Standesamt.

Ehepartner "divers": Gemeinsame Tochter als Stiefkind adoptieren

Menschen sollen unabhängig von ihrem Geschlecht als zweiter Elternteil anerkannt werden, so die Meinung von Tara und Tony E., deren gemeinsame Tochter im Februar geboren wurde. Im Personalausweis von Tony E. steht allerdings "divers" - eine Eintragsmöglichkeit, die seit 1. Januar 2019 offiziell besteht. Wer divers ist, wird jedoch als nicht-binär, sprich, keinem Geschlecht zugeordnet, geführt. Dabei sagt die Bezeichnung "divers" nichts über die Zeugungsfähigkeit einer Person aus. Doch der Eintrag "divers" ist für das Standesamt Beleg: Dieses Kind hat nur einen Elternteil. Tony E. könne ja die gemeinsame Tochter als Stiefkind adoptieren, schlägt das Standesamt vor. Allerdings sind bei Stiefkindadoption bürokratische Hürden zu überwinden - wie die verpflichtende Beratung durch eine Adoptionsvermittlungsstelle.

Diskriminierung gegenüber traditionellem Ehemodell

Eine Rechtslage, die das Paar nicht hinnehmen möchte und deshalb vor dem Amtsgericht Darmstadt klagt. Credo: Ein nicht binärer Elternteil gehört auch in die Geburtsurkunde, und jeder Mensch sollte unabhängig vom Geschlecht als zweiter Elternteil anerkannt werden. Laut Mikrozensus 2018, welchem freiwillige Angaben zugrunde liegen, leben fast 15.000 Mädchen und Jungen unter 18 derzeit in gleichgeschlechtlichen Paarfamilien. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), ein Zusammenschluss von Juristen, der sich für Grund- und Menschenrechte engagiert, unterstützt die Klage von Tara und Tony E. Die Entscheidung des Standesamtes sei eine Diskriminierung gegenüber der traditionellen Ehe: Hier wird der Ehemann bei Geburt automatisch als Vater eingetragen, ganz gleich, ob biologische Erzeuger oder nicht. Etwas, das für alle anderen Geschlechter nicht gilt. Eine Gesetzeslücke, die sich öffnete, als die so genannte dritte Option eingeführt wurde: Fälle wie der aktuelle blieben ungeregelt.

Grüne: Reform des Abstammungsrechts gefordert

Die GFF fordert, die Regelung zur Eltern-Kind-Zuordnung auf sämtliche Ehepaare anzuwenden. Auch verstoße die Entscheidung gegen das Grundrecht auf den besonderen Schutz, unter dem Ehe und Familie stehe sowie gegen das Grundrecht auf elterliche Pflege und Erziehung gem. Artikel 6 Grundgesetz. Das Paar aus Hessen ist mit seiner Empörung nicht allein: Derzeit koordiniert GFF noch weitere Verfahren zur Anerkennung der Elternschaft, wie das eines lesbischen Paares aus Hildesheim, Niedersachsen, wo ebenfalls beide als Mütter anerkannt werden möchten. Denn mit der Ehe für alle kam keineswegs die Elternschaft für alle, sondern nur der steinige Weg der Stiefkindadoption. Zwar legten die Grünen einen Gesetzentwurf dazu vor, der eine Reform des Abstammungsrechts forderte: Kinder, die in eine Ehe hineingeboren werden, sollten zwei auch gesetzlich in der Verantwortung stehende Elternteile erhalten. Auch die ehemalige Justizministerin Katarina Barley (SPD) wollte lesbischen Ehepaaren die Mit-Mutterschaft ermöglichen. Aber der Gesetzentwurf der Grünen scheiterte am Widerstand von Union, SPD, AfD und FDP.

Grundsatzurteil soll Wandel den Weg bereiten

Kaum nachvollziehbar: Schließlich ist die Partnerin der Frau, die das gemeinsame Kind zur Welt bringt, von der ersten Sekunde an Mutter, in der Schwangerschaft, nach der Geburt, für lange Jahre. Das Geschlecht ändert nichts an dem Verantwortungsgefühl, Elternteil zu sein. Doch wollte Tony E. den Weg der Stiefkindadoption wählen, geht dies nicht von heute auf morgen. In der Zwischenzeit behandelt der Staat Partnerin Tania in diesem Punkt als Alleinerziehende. Mehr noch: Passiert der leiblichen Mutter Tania, ist die Tochter Vollwaise. Der GFF macht sich keine Illusionen, dass der Gesetzgeber von sich aus aktiv wird - und diese Form der Diskriminierung beendet: Nur vom Weg vor Gericht mit dem Ziel eines Grundsatzurteiles versprechen sich Betroffene den längst überfälligen Wandel.

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