Artikel vom 08.11.2018

Wenn Wissenschaftler Ehen schmieden oder Hochzeit auf den ersten Blick



Schloss Neuenstein in Hessen: Das Herz klopft bis zum Hals, Braut Ramona und ihr Zukünftiger treten vor die Standesbeamtin. So weit, so normal. Aber die junge Frau aus Witten sieht ihren Ehemann in spe hier das allererste Mal - und Millionen schauen dabei zu. Kuppelei der übelsten Sorte? Nein, Matching nach wissenschaftlichen Kriterien.

Hochzeit als Experiment

Ramona ist eine von insgesamt acht heiratsfreudigen Teilnehmerinnen der TV-Show "Hochzeit auf den ersten Blick", mutig genug, einem komplett Unbekannten die Hand fürs Leben zu reichen. Jetzt geht das Sat.1-Liebes- und Sozialexperiment in seine nächste Runde - und inzwischen fünfte Staffel. Das einschaltquotenstarke Konzept: Das frischvermählte Paar hat nach - nicht vor! - der Trauung sechs Wochen Zeit, herauszufinden, ob sich der andere eventuell doch nicht für die Ewigkeit eignet. Welche Damen und Herren immer wieder sonntags seit dem 4. November 2018, 17.30 Uhr, vor versammeltem TV-Publikum aufeinander losgelassen werden, überlässt der Sender nicht dem Zufall. Sondern Paartherapeuten wie Beate Quinn, Psychoanalytikerin Dr. Sandra Köhldorfer oder Psychologe Markus Ernst - auf Grundlage wissenschaftlicher Testverfahren.

Tests, Tests, Tests! Von DNA bis Biofeedback

Insgesamt haben sich bereits über 7000 Singles beworben. 68 davon schafften es in die engere Auswahl, bereit, durch das Expertenteam wissenschaftlich fundiert gematcht zu werden. Nur eine handverlesene Gruppe passte danach angeblich ideal zueinander. Dazu durchliefen die Kandidaten zahlreiche Tests und persönliche Interviews durch die Wissenschaftler. Außerdem macht sie Angaben von Bildung über Ethnie bis Religion - und verrieten, welche Eigenschaften beim Traumpartner erwünscht waren. Aber kann man sich auch riechen? Das sollte ein DNA-Test ermitteln. Zu den Testverfahren zählten beispielsweise Biofeedback zur Messung kleinster Reaktionen wie Puls, Atemfrequenz oder Hautwiderstand, um herauszufinden: Wie belastbar, stressresistent und bindungsfähig ist ein Kandidat? Und welche Partnerpräferenzen hat er?

Wer zieht uns an? Aussehen, Stimme, Verhalten als Partner im Test

Wen wir anziehend finden, ist nicht zuletzt Sache von Look und Attraktivität. Weshalb Paar- und Sexualtherapeutin Quinn anhand von Fotos spezifische Vorlieben ermittelte: Lieber groß und dunkel oder klein und rothaarig? Elegant oder lieber sportlich-lässig? Psychoanalytikerin Köhldorfer schließlich gab dem Ganzen Stimme, denn deren Lage, Dialekt oder Modulation entscheidet nicht unwesentlich darüber, wie attraktiv wir potenzielle Partner finden. Verfahren, die gegenseitige Eignung als Ehepartner zu checken, gibt es viele. Ein häufig gebrauchtes nennt sich Beziehungs- und Bindungs-Persönlichkeitsinventar (BB-PI): Befragte schätzen ein, wie sie sich in einer Partnerschaft verhalten. Der Fragebogen umfasst acht Skalen mit je 18 beziehungsrelevanten Charaktereigenschaften - bezogen auf Themen wie Bindung, Verführung, Treue, Marktorientierung oder Unsicherheit. Menschen mit hohem Übereinstimmungswert bei bestimmten Themen werden gute Chancen auf ein erfolgreiches Matching prophezeit.

Partnersuche auf dem Prüfstand: Dirty-Dozen, Big-5 & Co.

Aber was ist mit den Schattenseiten? Auch diese werden ausgeleuchtet. Der so genannte Dirty-Dozen-Test legt den Finger auf negative Eigenschaften, mit Eckpunkten wie Narzissmus und Psychopathie. Für das große Gesamtbild darf der Top-Favorit unter den Persönlichkeitstests natürlich nicht fehlen: Seit 2010 betrachtet der BIG-5 die fünf Dimensionen Extraversion, Offensein für neue Erfahrungen, Umgänglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus (die Fähigkeit, negative Emotionen zu handeln). Auch welches Bedürfnis nach Anerkennung und Leistung, Macht und Einfluss sowie Ruhe und Sicherheit potenzielle Eheleute haben, erfragt der BIG-5. Nicht nur Fernsehformate, auch Partnervermittlungen haben wissenschaftliche Verfahren längst für sich entdeckt. Und versprechen unkomplizierte Partnersuche ohne viel Zeitaufwand. Sie vermarkten sich nicht gern in Eigenregie? Wissenschaftliches Matching spuckt Partnervorschläge aus, die die Chancen auf eine Zukunft mit dem Traumpartner steigern sollen.

Hochzeit auf den ersten Blick, geschieden auf den zweiten

Wie erfolgreich ist das TV-Matching tatsächlich? Zuschauer-Gerüchte in Sozialen Netzwerken unken, dass Sat.1 Paare mit Absicht falsch matcht. Wie sonst lasse sich erklären, dass von den zahlreichen Brautpaaren etliche bereits die Scheidung eingereicht haben? Vielleicht ist weniger die Wissenschaft als das Konzept selbst schuld daran: So traten Jutta und Marko am 15. Juli 2015 vor den Standesbeamten, um sich schon im März 2017 wieder scheiden zu lassen. Begründung des Bräutigams vor dem Scheidungsrichter: Er habe nicht gewusst, dass es sich um eine echte Ehe handele - und heiratete anschließend seine frühere Freundin. Ex-Braut Jutta kritisiert, der Sender ginge fahrlässig mit den Hoffnungen seiner Teilnehmer um. Es sei offensichtlich, dass neben passenden Partnern immer Paare dabei seien, denen man das Scheitern direkt ansähe - wie die Kombination Motorradfahrer mit Tätowierung und Hello-Kitty-Fan. Denn glückliche Paare seien schlecht für die Quote - besser, es kracht. Vorwürfe, die Sat.1 strikt zurückweist.

Eheglück finden für Mutige?

Weshalb sich noch kein einziges Paar gegen die Hochzeit vor laufenden Kameras entschieden hat? Der Druck scheint groß, die Euphorie ebenso. Außerdem wartet die Familie - und es gibt eine Aufwandsentschädigung. Was sich die Experten bei einer Paarung gedacht haben, wird dagegen nicht immer wirklich klar. Menschen mit Heiratsambitionen können jetzt noch dabei sein, um - so verspricht es Sat.1 auf seiner Website - das große Liebesglück und den Seelenverwandten zu finden. Und müssen nicht mehr tun, als einige wenige persönliche Daten in ein Online-Formular einzugeben und unter "Erzähl uns Deine Geschichte" aus dem intimen Nähkästchen zu plaudern. Denn obgleich sich die Erfolgsquote des wissenschaftlichen Teams recht bescheiden ausnimmt - die Einschaltquoten (16 Prozent Marktanteil im Dezember 2017) sprechen eine andere Sprache. Und wer weiß? Vielleicht zumindest ein weiterer Kanal, Menschen zusammen zu bringen, die sich sonst wohl kaum begegnet wären.

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