Artikel vom 06.09.2012
Irgendwie vertraut, trotzdem erfrischend anders: Deutsch-russische Hochzeiten
Vielleicht haben Sie es gehört? Maria Scharapowa (25), russischer Tennisstar und French-Open-Gewinnerin, ist wieder zu haben. Ihre traditionelle Traumhochzeit mit Basketballer Sasha Vujacic (28), der jüngst nach Istanbul wechselte, ist geplatzt. Doch was macht neben klirrendem Glücksglas den besonderen Charme deutsch-russischer Hochzeiten aus?
Heiraten auf Russisch
Lassen Sie sich durch Maria Scharapowa nicht den Spaß verderben, wenn Sie wie die Schreiners Ihre Traumhochzeit auf Russisch feiern möchten: Als eines von zahlreichen deutsch-russischen Brautpaaren trauten sie sich am letzten Wochenende ins Zerbster Standesamt - Johannes, dessen deutschstämmige Familie 1993 aus Alma-Ata in Kasachstan und Natali, die mit ihrer Familie 2001 nach Deutschland kam.
Kaum haben sie das Gästespalier passiert, reicht man ihnen traditionell Brot und Salz. Lustiger wird es, wo die Brautpaare einen Bissen vom selbstgebackenen Brot nehmen. Der Clou: Ohne Handberührung! Sie haben als Braut das größere Stück abgebissen? Dann haben Sie in Ihrer Ehe die Hosen an.
Jetzt stoßen Johannes und Natali mit Champagnergläsern an - um sie anschließend in unzählige Glücksscherben zerspringen zu lassen. Ein Ritual aus dem 19. Jahrhundert, das auch verrät, ob das erste Kind Junge (bei großen Scherben) oder Mädchen (bei kleinen Glassplittern) wird. Vor Gratulationsreihe und Geschenken verlangt hat die Tradition jetzt eine Soloeinlage, auch bei Natali und Johannes: Umringt vom großen Kreis ihrer Hochzeitsgäste, tanzen sie zum russischen Lied "Guten Tag, guten Tag". Und das Geheimnis der rosaroten Hochzeitstruhe? Hier verschwinden die Hauptgeschenke, sicher in Kuverts versteckt.
Motto: Ausgelassene Großzügigkeit
Welche Hochzeitsbräuche pflegen aus der ehemaligen Sowjetunion eingereiste Deutsche sonst noch? Neben überlieferter deutscher Hochzeitstradition sind zahlreiche, ursprünglich russische Rituale Teil moderner Hochzeitsfeiern, wie der traditionelle Brautkauf: Als Währung des Lösegeldes zahlt der Bräutigam Münzen, Pralinen, Wein, Sekt und Wodka - nachdem er knifflige Pfandfragen und Rätsel geknackt hat.
Das Allerwichtigste: Deutsch-russische Hochzeiten lieben es großzügig. Fast immer gehört ein elegantes, feierliches Menu inklusive Service einfach dazu. Sehr umfangreich, begeistert diese Hochzeitstafel mit warmen und kalten Vorspeisen, Suppengang, Fisch und Fleisch im Hauptgang, Desserts, Käse und Expresso. Auch die Getränkeauswahl kann sich sehen lassen: Neben Sekt verwöhnt man die Gäste mit Aperitif, Weiß- und Rotwein, Weinbrand, Wodka und mehr. Apropos - "Gorko!" (bitter) hieß es früher, als es Brauch war, die Braut mit einem Tablett voller Wodkagläser durch die Reihen der Gäste zu schicken, die vor dem Trinken und Zuprosten Geldscheine auf Tablett legten. "Gorko!" ertönt noch immer - und heißt jetzt soviel wie: Brautleute, küsst euch!
Liebe zum Orakel
Ungebrochen beliebt: Der Schleiertanz. Während das Hochzeitspaar tanzt, versuchen die anderen tanzenden Frauen, ein Stück des (weniger kostbaren Extra-)Schleiers abzureißen. Ein echter Glücksbringer, denn wer das größte Stück schnappt, wird die nächste Braut. Welchen Junggesellen erwischt es als nächstes? Russisches Brauchtum hat auch darauf eine Antwort: Der Bräutigam wirft seine Boutonniere (Ansteckblume) - selbstverständlich mit geschlossenen Augen. Na dann - Gorko!