Artikel vom 16.10.2017
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Wendepunkt 1. Oktober 2017: Ehe für alle - trotz Gegenwind



Die Anzüge sind festlich, die Socken pink: Dieter Schmitz und Bernd Göttling haben einen Wettlauf besonderer Art gewonnen - und gehen als erstes gleichgeschlechtliches Ehepaar in die Geschichte ein. Bislang eingetragene Lebenspartner, blicken die Frechener auf stolze 37 Jahre Zweisamkeit zurück. Der 1. Oktober 2017 markierte für viele homosexuelle Paare, aber auch Gegner der Homoehe einen Wendepunkt.

Run aufs Trauzimmer ausgeblieben: Die Gründe

Bereits Ende Juni passierte die historische Gesetzesänderung das Parlament, ab sofort macht die eingetragene Lebenspartnerschaft der Ehe für alle Platz, bei nahezu voller rechtlicher Gleichstellung. Aktuellem Mikrozensus 2015 zufolge leben deutschlandweit gut 43.000 Paare in eingetragener Lebenspartnerschaft - und können diese jetzt auf dem Standesamt zur Ehe umwandeln lassen. Trotzdem hält sich der erwartete Run in Grenzen. Der Grund: Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist bereits jetzt rechtlich weitgehend der Ehe gleichgestellt. Seit 2005 wurde das Unterhaltsrecht angeglichen, Stiefkindadoption zugelassen und Lebenspartner Teil der Hinterbliebenenversorgung. 2010 folgte die Gleichstellung im Bereich Erbschaftssteuer, 2013 das Ehegattensplitting. 2014 schließlich kam die Sukzessivadoption, die es ermöglicht, nach einer gewissen Übergangsfrist nicht nur leibliche, sondern auch adoptierte Kinder des Partners ebenfalls zu adoptieren. Doch keine Regel ohne Ausnahme: Gilt ein Ehemann automatisch als rechtlicher Vater eines Babys, muss die Ehefrau in der lesbischen Ehe das Kind der Partnerin adoptieren, um offiziell dessen Mutter zu sein. Entsprechend fordert der Verband der Schwulen und Lesben hier Nachbesserungen bei der Gleichstellung von Kindern aus gleichgeschlechtlichen Ehen.

Gegenwind: Kirchen und Konservative ablehnend

Während die evangelische Kirche homosexuelle Paare segnet (jedoch nicht traut)und katholische Laienorganisationen ebenfalls die Segnung fordern, versteht die katholische Amtskirche die Ehe, so Kardinal Reinhard Marx, Deutsche Bischofskonferenz, weiterhin als "Lebens- und Liebesgemeinschaft von Frau und Mann". Auch im EU-Mitgliedsstaat Rumänien unterstützt die einflussreiche orthodoxe Kirche ein für November erwartetes Referendum gegen die Homoehe, initiiert durch eine Kampagne namens "Koalition für die Familie". Seit 2015 konnte diese drei von 20 Millionen Rumänen zur Unterschrift bewegen. Und obwohl sich Deutschland mit dem 1. Oktober in die Reihe der 24 europäischen Befürworter gestellt hat, schwebt die Idee der Verfassungsklage über der frisch gewonnenen Gleichstellung, nicht zuletzt mit dem aktuellen Einzug der rechtspopulistischen AfD als drittstärkste Kraft in den Bundestag. Deren Fraktionsvorsitzender Alexander Gauland sieht mit der Ehe zwischen Gleichgeschlechtlichen einer Wertebeliebigkeit Tür und Tor geöffnet. Auf welcher Grundlage? Der neue Gesetzestext in § 1353 BGB ist unmissverständlich: "Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen". Dagegen stellt das Grundgesetz Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates. Von einer Ehe zwischen Mann und Frau ist nicht die Rede. Aber Artikel 6 stammt aus einer Zeit, als homosexuelle Handlungen unter Männern unter Strafe standen. Wie Angela Merkel haben viele in Union und CSU verfassungsrechtliche Bedenken; die bayerische Landesregierung prüft eine Verfassungsklage.

Standesämter: Software-Probleme wurden aufgebauscht

Derweil bedeutet das neue Gesetz Mehrarbeit für die Standesämter: So stockte Berlin die Zahl seiner Standesbeamten von 120 auf 150 auf, inklusive vierwöchiger Schnellschulung. Das medienweit beschworene Chaos angesichts von Software-Problemen dagegen weist Günther Metzner, Leiter des Verlags für Standesamtswesen, entschieden zurück. Metzner spricht für die Entwickler jener Software, die alle deutschen Standesämter nutzen: AutiSta, eine in Rechenzentren installierte Cloudanwendung, die statt "Ehemann" und "Ehefrau" geschlechtsneutrale Felder mit der Bezeichnung Partner 1 und Partner 2 kennt - spätestens zum 1. November 2018. Etwas, das laut Metzner für die Bürger nicht sichtbar sei - es sei denn, sie verlangten einen Ausdruck der XML-Daten. Auf der offizielle Heiratsurkunde erscheine dieser Speicherungsfehler nicht: Hier sind zwei männliche oder zwei weibliche Partner eingetragen. Jedem Standesamt stehe - ab sofort - alles zu Verfügung, was für eine Trauung zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern unverzichtbar ist.

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